Der Bundesgerichtshof (BGH) hat ein wichtiges Urteil für Eigentümergemeinschaften gesprochen (Az.: V ZR 9/14): Ein einzelner Wohnungseigentümer darf die Sanierung der gemeinschaftlichen Immobilie verlangen, auch wenn die Miteigentümer dies nicht wollen und gewichtige Gründe anführen, sich nicht an den Kosten beteiligen zu müssen. Voraussetzung aber ist, dass die Beseitigung der Baumängel unbedingt nötig ist und nicht warten darf.

Finanzielle Schwierigkeiten oder sonstige Einwände einzelner Wohnungseigentümer sind nach Ansicht der Richter kein Hinderungsgrund. Mehr als das: Verzögern die übrigen Wohnungseigentümer einen Sanierungsbeschluss grundlos, können sie sich sogar schadensersatzpflichtig machen.

Im konkreten Fall stellte sich in einem Haus mit drei Eigentumswohnungen heraus, dass eine Kellerwohnung wegen eines fehlerhaften Umbaus durch den Vorbesitzer unbewohnbar geworden war. Die Klägerin hatte die Kellerwohnung im Jahr 2002 für 85.000 Euro gekauft.

Von den aufgetretenen Wasserschäden war auch die Bausubstanz betroffen, die zum Gemeinschaftseigentum gehörte. Die Besitzer der anderen beiden Wohnungen in dem Haus weigerten sich jedoch, einer Sonderumlage für die Beseitigung der Mängel in Höhe von 54.500 Euro zuzustimmen.

Der BGH betonte nun, dass ein einzelner Wohnungseigentümer die Sanierung des gemeinschaftlichen Eigentums durchaus verlangen kann, wenn dies “zwingend erforderlich ist und sofort erfolgen muss”. Die Wohnung der Klägerin war unbewohnbar geworden. In diesem Fall, so urteilten die Richter, dürfe auf finanzielle Schwierigkeiten oder das Alter der anderen Wohnungseigentümer keine Rücksicht genommen werden.

In weniger dringenden Fällen können die Dinge jedoch anders liegen. Dann müsse der Eigentümergemeinschaft ein “Gestaltungsspielraum” obliegen, erklärte auch der BGH. Die Eigentümer müssen das Gebot der Wirtschaftlichkeit beachten und prinzipiell auf die finanzielle Leistungsfähigkeit der Wohnungseigentümer Rücksicht nehmen. Sie seien deshalb berechtigt, Kosten und Nutzen einer Sanierung abzuwägen.

Zur Verhandlung standen auch Schadensersatzansprüche. In dieser Hinsicht hat der V. Zivilsenat des BGH die Sache an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Eine Vorgabe hat er jedoch gemacht: Die Eigentümer müssen dafür zahlen, wenn sie einen dringend gebotenen Beschluss über die Sanierung verzögern.

Demnach können diejenigen Wohnungseigentümer haftbar gemacht werden, die schuldhaft entweder untätig geblieben sind oder gegen die erforderliche Maßnahme gestimmt haben. Selbst eine Enthaltung kann schon ausreichen, dass später Schadenersatzansprüche geltend gemacht werden können.

Die Vorinstanzen hatten teils eine andere Meinung vertreten als der BGH. Zunächst hatte das Amtsgericht Andernach in erster Instanz entschieden, dass die anderen Eigentümer die Kosten mittragen und die erforderliche Summe dafür bereitstellen müssen. Die Begründung war damals: Ohne Renovierung könnte sich der Schaden im Keller weiter ausbreiten und zu einem Wertverlust des gesamten Hauses führen.

Das Landgericht Koblenz hob diese Entscheidung 2013 in zweiter Instanz aber auf. Die Koblenzer Richter sahen in diesem Fall die “Opfergrenze” überschritten: Die Beklagten seien betagt und finanzschwach. Es würde sie wirtschaftlich daher schwer belasten, die Sanierung mitzutragen. Das Gebäude muss den Richtern zufolge zwar im Wert erhalten werden. Doch dieser Grund wiegt in diesem Fall ihrer Ansicht nach nicht so schwer: Denn derzeit wolle keiner im Haus seine Wohnung verkaufen.

Generell gilt bei sogenannten Wohnungseigentümergemeinschaften der Grundsatz: “Mitgehangen-mitgefangen”: Wer eine Wohnung in einem Haus besitzt, muss die Sanierung der Teile, die allen Eigentümern zusammen gehören, akzeptieren und mitbezahlen. Zu diesen Teilen gehören zum Beispiel Dach, Fenster oder auch Außenwände. Zuletzt gab es in Deutschland nach Angaben des Eigentümerverbandes Haus & Grund neun Millionen Wohneinheiten, für die das Urteil relevant sein kann. Das betrifft gut ein Fünftel aller Immobilien.

Quelle: Die Welt